REPowerEU – Nachhaltigkeit neu gedacht oder doch reines Politikum?

Wie können wir einen wirksamen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft leisten? Ist das tatsächlich die Frage, die im Zentrum aller Bestrebungen und Aktivitäten, aller Pläne und Vorgaben, die aus Brüssel kommen, stehen oder werden damit wiederum hauptsächlich politische Interessen bedient, die sich in Wahrheit nicht um unsere Ökosysteme kümmern? Tatsache ist jedenfalls, dass REPowerEU, ein Plan zur raschen Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland und zur Beschleunigung des ökologischen Wandels ist – so heißt es in der offiziellen Aussendung aus Brüssel.

Tatsache ist auch, dass die Kommission vor dem Hintergrund der Invasion Russlands in die Ukraine, am 8. März 2022, den Entwurf eines Plans vorstellte, mit dem Europa deutlich vor 2030 von fossilen Brennstoffen aus Russland unabhängig gemacht werden soll. Auf der Tagung des Europäischen Rates vom 24./25. März einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU dann auf dieses Ziel und ersuchten die Kommission, den detaillierten REPowerEU-Plan vorzulegen, der am 18. Mai angenommen wurde.

Paper ist bekanntlich sehr geduldig

REPowerEU umfasst ein Paket, das unter anderem Maßnahmen zu den Themen Erneuerbaren-Ausbau, Netzausbau, Genehmigungsverfahren und Strommarkt umfasst. Angesichts von Gasknappheit und steigenden Kosten, steht die E-Wirtschaft derzeit vor enormen Herausforderungen in den Bereichen Versorgungssicherheit und Preisstabilität. Gerade in der in der aktuellen Situation sollten die schon lange angedachten Transformationsprozesse auch endlich beschleunigt werden können. Es steht also viel drinnen in diesem Papier, vor allem werden wieder einmal die Ziele hochgesteckt, eine immer gute Strategie der Politik. Wie diese teilweise hehren Ziele konkret umgesetzt werden sollen, fehlt. Es geht um den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen und um die Verbesserung der Energieeffizienz – mal wieder – wie seit Jahren – aber gefühlt so richtig getan hat sich da noch nichts, vielleicht weil doch andere Agenden dahinterstecken? So weit so gut, vielleicht dienen diesmal politische Interessen ja auch dem Umweltschutz.

Ausbau erneuerbarer Energien – engagierte Ziele

Die Kommission schlägt vor, das Kernziel für 2030 für erneuerbare Energien im Rahmen des Pakets „Fit für 55“ von 40 % auf 45 % anzuheben. Durch die Festlegung dieses ehrgeizigeren Gesamtziels wird der Rahmen für andere Initiativen definiert, darunter etwa eine Solarstrategie, Maßnahmen zur Integration geothermischer und solarthermischer Energie in modernisierte Fernwärmesysteme und eine Beschleunigung der langsamen und komplexen Genehmigungsverfahren für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien.

Viele der angedachten Maßnahmen klingen durchaus vernünftig – sind sie auch nachhaltig, das ist die Frage. Es ist enorm wichtig, natürliche Kreisläufe unter Wahrung und Achtung der Natur sinnvoll zu schließen. Aber genau dies scheint in Gefahr, wird bereits gewarnt und hier geht es gerade um die Genehmigungsverfahren, die beschleunigt werden sollen. Bei der Tagung der österreichischen Umweltanwaltschaften in Strobl hat dieser Punkt für helle Aufregung gesorgt. In einer gemeinsamen Stellungnahme warnten sie bereits vor einer „Aushebelung von zwingenden Natur- und Artenschutz-Bestimmungen“, die langfristig mehr Schaden als Nutzen anrichten könnten.

Durchführbarkeit und Kosten einer konkreten Umsetzung?

Ein weiterer Kritikpunkt widmet sich dem großen Thema Fachkräfte – woher gut ausgebildete Fachkräfte, die all dies umsetzen könnten? Und dann gibt es noch den herausfordernden Punkt der Finanzierung. Zur Verwirklichung der Ziele von REPowerEU sind bis 2027 riesige Investitionssummen in Höhe von 210 Mrd. EUR erforderlich. Die Kommission wird CO2-Differenzverträge einführen, um die Nutzung von grünem Wasserstoff durch die Industrie zu fördern, und spezielle Finanzmittel im Rahmen des Innovationsfonds bereitstellen, wobei Einnahmen aus dem Emissionshandel verwendet werden, um die Verringerung von Abhängigkeiten von russischen fossilen Brennstoffen weiter zu unterstützen. Die Kommission gibt zudem Leitlinien für Bezugsverträge für erneuerbare Energien und Strom heraus und wird der Europäischen Investitionsbank eine technische Beratungsfazilität zur Verfügung stellen.

Eine massive Ausweitung des Ausbaus erneuerbarer Energien in den Bereichen Stromerzeugung, Industrie, Gebäude und Verkehr soll uns schneller unabhängig machen, den ökologischen Wandel vorantreiben und im Laufe der Zeit für Preissenkungen sorgen. Hoffen wir’s!

Originalbeitrag: 
Gastkommentar Dr. Susanne Lederer-Pabst in Börse Social Ausgabe 06/2022