"Der Zug ist nicht mehr zu stoppen!" - Danke für das Interview an e-fundresearch

Wie sich die COVID-19 Krise bislang auf die ESG-Investing-Bewegung auswirken konnte, warum "Impact" immer stärker in den Fokus rückt und ob die Investmentfondsindustrie in den nächsten Jahren ihr eigenes "Dieselgate" erleben könnte, diskutierte e-fundresearch.com im Exklusiv-Interview mit der österreichischen Nachhaltigkeits-Pionierin Dr. Susanne Lederer-Pabst.

e-fundresearch.com: Frau Lederer-Pabst, Sie verfolgen die ESG-Investing Bewegung in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen bereits viele Jahre aus nächster Nähe: Wie hat sich die COVID-19 Krise Ihrer Meinung nach auf diesen strukturellen Trend ausgewirkt? Zumindest mit Blick auf die Medienpräsenz dürfte der Damm nun endgültig gebrochen sein….

"(...) Impact gesellt sich als entscheidender Parameter zu Rendite und Risiko."

Susanne Lederer-Pabst: Ja, denn es ist unterdessen augenscheinlich, dass Corona nicht nur Schäden bringt in vielen Teilbereichen, sondern sich auch riesige Chancen auftun. Ich denke jetzt ist wirklich so richtig die Zeit gekommen für sozial verantwortliche und wirkungsvolle Investitionen, um die Weltwirtschaft nachhaltig zu verändern.
Der wirtschaftliche Schock hat zunächst dazu geführt, dass viele ihre risikoreicheren Investments abgezogen haben. Richtiger wäre es wohl, und glücklicherweise gibt es auch Impact-Investoren die das genau so sehen, zu investieren, um Unternehmen zu helfen, ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken und zur Erholung beizutragen. 
Klar, diese Krise wird tiefgreifende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung im Allgemeinen haben, insbesondere darauf, wie wir Investitionen in die Gesellschaft und unsere Umwelt handhaben. Ein großer Auftrag, der sich daraus ergibt, ist das Nachdenken über den Zweck unseres Geldes. Wie setzen wir es ein und welcher Impact entsteht dadurch? Also Impact gesellt sich als entscheidender Parameter zu Rendite und Risiko.

e-fundresearch.com: Mittlerweile ist es schwer eine Fondsgesellschaft zu finden, die nicht auch von sich behauptet ESG "schon seit jeher und sowieso auch als integralen Bestandteil" des Investmentprozesses berücksichtigt zu haben: Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang das Risiko von Greenwashing-Enttäuschungen ein? Wird die Fondsindustrie in den nächsten Jahren ihr eigenes "Dieselgate" erleben?

"Es ist hier schon wirklich viel Positives geschehen, der Zug in die richtige Richtung aufgestellt und dieser hat auch bereits Fahrt aufgenommen."

Susanne Lederer-Pabst: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, obwohl das eine oder andere schwarze Schaf mit der Zeit schon sichtbar werden könnte, aber die gesamte Branche ist sicherlich nicht mit Dingen wie Greenwashing beschäftigt. Es ist hier schon wirklich viel Positives geschehen, der Zug in die richtige Richtung aufgestellt und dieser hat auch bereits Fahrt aufgenommen.
Ein neuer Bericht der Meta-Aufsicht (International Organization of Securities Commissions) beispielsweise hat nach einer Überprüfung der Eigeninitiativen einzelner Aufsichtsbehörden und Marktteilnehmer vor allem drei wiederkehrende Problemfelder identifiziert.
Neben den voneinander abweichenden Aktivitäten der verschiedenen Regulierungsbehörden, insbesondere im Bereich der Offenlegungspflichten, ist zweitens das Fehlen gemeinsamer Definitionen nachhaltiger Aktivitäten und drittens das Greenwashing als Herausforderung für den Anlegerschutz erfasst worden.
Mit diesen definierten Problemfeldern will sich die IOSCO nun gründlich befassen und richtet dazu eine Task Force für Nachhaltigkeit ein. Diese soll zudem die Koordination relevanter Regulierungs- und Aufsichtsansätze erleichtern, Transparenz und Vergleichbarkeit der ESG-Daten schaffen, die Methoden und Governance der Credit- und ESG-Rating-Agenturen durchleuchten und die Risiken des Greenwashing analysieren. Das Thema wird also auf politischer, regulatorischer Ebene mittlerweile sehr ernsthaft betrieben.

e-fundresearch.com: Wozu raten Sie Ihren Partnergesellschaften? Was sollten Fondsgesellschaften in Ihrem ESG-Auftritt & Kommunikation beachten?

"Wer verantwortungsvoll agiert, soll es bitte auch kommunizieren (...)"

Susanne Lederer-Pabst: Ich rate ihnen immer, authentisch zu berichten und natürlich bei der Wahrheit zu bleiben – diese kommt heutzutage glücklicherweise sehr schnell ans Licht. Aber ich rate ihnen eben auch, alles herzuzeigen, was gemacht wird.
Über einen nachhaltigen High-Yieldmanager als Kooperationspartner haben wir mitbekommen, dass viele Unternehmen bereits tolle ESG-Ansätze in ihren Unternehmen und Prozessen verankert haben, nur wusste dies niemand Außenstehender, weil sie es nicht kommunizierten.
Es ist also wichtig, dass diese Bereiche auch dementsprechend nach außen getragen werden. Auch mit unseren Partnergesellschaften haben wir teilweise ähnliche Erfahrungen. Einige haben erst auf unsere Initiative eigene ESG-Papers verfasst und in Worte gegossen, was sie jahrelang schon im Unternehmen praktizieren.
Wer verantwortungsvoll agiert, soll es bitte auch kommunizieren, das ist wichtiger denn je, schließlich gibt es auch immer mehr Investoren, die darauf achten, ESG-konform zu investieren und daher diese Informationen benötigen.

e-fundresearch.com: In Ihrer Rolle als Third Party Marketer sind Sie im laufenden Dialog mit professionellen und institutionellen Investoren: Haben sich die Motive, aus denen sich Fondsselektoren für ESG-Investments entscheiden in der jüngeren Vergangenheit spürbar gewandelt?

"(...) es hat sich in dieser Krise einfach erneut gezeigt, dass ein Management, das auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist und Verantwortung übernimmt, langfristig Pluspunkte bringt und sich auch performancemäßig auswirkt."

Susanne Lederer-Pabst: Ja, das denke ich schon, denn es hat sich in dieser Krise einfach erneut gezeigt, dass ein Management, das auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist und Verantwortung übernimmt, langfristig Pluspunkte bringt und sich auch performancemäßig auswirkt. Der Trend zur Outperformance von nachhaltigem Titeln besteht aber nicht nur in der Krise – in fast allen Phasen konnte der SRI Index, der seit zwölf Jahren berechnet wird, seinen großen "konventionellen" Index-Bruder schlagen.
Langfristig ist das aber auch klar, denn Bilanzskandale und Betrug wie bei Parmalat, Enron, Adecco und Wirecard wird es in nachhaltig verantwortungsvoll gemanagten Unternehmen nicht geben.
Ich weiß, dass es sich aus der Sicht des Finanzmarktes hierbei um Einzelfälle handelt, einem Investor, der diesen Titel im Portfolio hat, tut das trotzdem ziemlich weh. Einigen institutionellen Investoren ist dieses ESG/Nachhaltigkeitsgetue auch zu übertrieben, aber sie alle erkennen den risikominimierenden Wert an.

e-fundresearch.com: Staatlich gelenkte „Green Recovery“: Welche weiteren Impulse erwarten Sie auf regulatorischer Seite? Viele Trends haben sich durch COVID-19 nochmals deutlich beschleunigt, trifft das auch auf die Sustainable Finance Initiativen der Regulatoren zu?

"Corona wird diese Bewegung langfristig eindeutig noch anheizen, anstatt sie zu bremsen."

Susanne Lederer-Pabst: Ja, absolut, denn auch wenn das Coronavirus zunächst im Rampenlicht der Bühne steht, so wartet „Green Finance“ bereits auf das Ende dieses Akts, um danach das Bühnenlicht zurückerobern zu können – eher wird es zwar ein gemeinsamer Bühnenauftritt denke ich, denn Corona wird uns wohl auch noch etwas länger begleiten – aber Spotlight on Green Finance ist ebenso sicher.'
Die EU-Kommission vertritt jedenfalls die Meinung, dass eine eindrücklichere Strategie für nachhaltige Finanzen erforderlich ist, da die bisherigen Fortschritte zur Finanzierung einer nachhaltigeren Wirtschaft nicht schnell genug greifen. Zu diesem Zweck wurde ja eine erneuerte Strategie „Sustainable Finance Strategy“ im Dezember im Green Deal angekündigt. Diese sieht als einen der drei zentralen Punkte vor, den regulatorischen Rahmen so zu stecken, dass sich „grüne Geldanlagen“ positiv für Bürger, Finanzinstitutionen und Unternehmen auswirken;
Auch die ESMA, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsicht, hatte bereits im Februar ihre „Strategie für nachhaltige Finanzen“ veröffentlicht, in der sie darlegt, wie sie ESG-Faktoren im gesamten Spektrum ihrer regulatorischen Aktivitäten zu berücksichtigen gedenkt. Diese umfassen die Arbeit an einem einheitlichen Regelwerk mit Standards und Transparenzverpflichtungen für Marktteilnehmer sowie die Gewährleistung einer konsistenten, effizienten und vor allem konvergenten aufsichtsrechtlichen Anwendung der EU-Gesetzgebung in jedem EU-Mitgliedsland.
Die EU schreitet forsch voran, um ihre Initiativen für nachhaltige Finanzen zu pushen und auch auf nationalen Ebenen gewinnen ESG-Initiativen an Fahrt. Der Zug ist einfach wirklich bereits abgefahren und ist nicht mehr zu stoppen, das ist meine Meinung. Corona wird diese Bewegung langfristig eindeutig noch anheizen, anstatt sie zu bremsen.

e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Lederer-Pabst!

Originalbeitrag: e-fundresearch.com